Wesentliche Unterschiede zwischen in Deutschland bis 1967 und in Brasilien bis März 1976 gefertigten Volkswagen T1-Busse

OT für alle Foren von T1-T6

Moderatoren: tce, gvz, jany, Staff

Antworten
Kurtilette
Mit-Leser
Beiträge: 3
Registriert: 12.11.2023, 21:58
Modell: T1
Aufbauart/Ausstattung: 1966er-Fensterbus
Leistung: 42 PS
Motorkennbuchstabe: VW
Anzahl der Busse: 1
Wohnort: München
Kontaktdaten:

Wesentliche Unterschiede zwischen in Deutschland bis 1967 und in Brasilien bis März 1976 gefertigten Volkswagen T1-Busse

Beitrag von Kurtilette »

Nachdem ich das Bulliforum nach "Brasilien" durchsucht und eine Vielzahl von Beiträgen zu unterschiedlichen Aspekten brasilianischer T1-Bullis ("Brullis") gefunden habe, stelle ich im Folgenden mal meine gesammelten subjektiven Erkenntnisse aus einer längeren Recherche zu den wesentlichen Unterschieden zwischen in Deutschland und in Brasilien produzierten T1-Bussen auf die Rampe. Korrekturen und Ergänzungen sind herzlich Willkommen.

Prolog: Anfangs wurden in Brasilien - ähnlich wie beim Käfer - deutsche Fahrzeuge verkauft. Doch schon ab 1957 wurde der Kombi als erstes Fahzeug, welches in Brasilien gebaut wurde, hergestellt. Anfangs entsprachen die brasilianischen Modelle ebenfalls den deutschen Fahrzeugen. Die größten Änderungen waren die Änderung vom 11-Fenster-Bus zum 15-Fenster-Bus und Export-Stoßstangen. In Brasilien wurden ein Pritschenkombi, ein Kastenwagen und der Fensterbus als Standard und Luxus-Modell. Doppelkabine oder Samba wurden in Brasilien nicht verkauft. Bis zum Produktionsende 1975 entsprach der brasilianische T1 weitestgehend dem deutschen Modell von 1963.

Wesentliche Unterschiede und Beachtenswertes:
01. Keine Heizung (Wärmetauscher und Heizluftrohr am Unterboden vom Heck zum Bug fehlen), keine Sicherheitsgurte, keine Warnblinkanlage - die fehlende Heizung kann durch Webasto-Standheizung kompensiert werden
02. Keine Lüftungsausströmer im Amaturenbrett, um die Windschutzscheibe beschlagsfrei zu halten oder vorhandene Lüftungsausströmer sind nicht angeschlossen
03. E-Prüfkennzeichen für Beleuchtung (Scheinwerfer, Rückleuchten, Blinker) fehlen, es müssen deutsche Scheinwerfer/Rückleuchten statt der brasilianischen Sealed Beams eingebaut werden
04. E-Prüfkennzeichen für Scheiben fehlt
05. Sicherheitsgurte fehlen bzw. benötigen ebensfalls ein E-Prüfkennzeichen
06. Reserverad fehlt
07. Trommelbremse vorne gab es beim T1-Bis nur bis Ende Modelljahr 1970, danach wurden Scheibenbremsen mit Bremskraftverstärker verwendet
08. Statt Bulli-Scheinwerfen werden Käfer-Scheinwerfer verbaut (Streuscheibe um 90 Grad verdreht)
09. Das VW Zeichen auf der Front ist im Blech der Karosserie eingeprägt und nicht als separates Chromteil aufgesetzt
10. Der Abstand zwischen der Regenrinne und dem oberen Scharnier der seitlichen Klapptüre ist geringer, da die Scharniere höher sitzen sitzt (so wie bei den deutschen T1-Bussen bis 1961)
11. Bei den frühen T1-Bussen sind die Kniestücke über dem vorderen Radkasten höher, als bei den späten T1-Bussen, wo die Kniestücke schmaler wurden (Ersatzteile sind selten und teuer)
11. Lenkgetriebe sind brasilianische Eigenkonstruktionen, für die deutsche Ersatzteile nicht passen
12. Bremsen (Bremssättel), Schaltgestänge, Achsen (Bundbolzenachsen, statt wartungsfreie Kugelgelenkachsen) und andere Karosseriekomponenten sind unter Umständen unterschiedlich zu in Deutschland produzierten T1-Bussen
13. In Brasilien gefertigte Auspuffanlage mit einem Endrohr oder die Stoßstange nach US-Vorbild unterscheiden sich von in Deutschland gefertigten Bauteilen
14. Kombination von kleiner Heckklappe mit großen Rückleuchten gab es nur in Brasilien
15. Seitliches Lüftungsgitter ("Gurkenhobel") nach innen ab 1963 in Kombination mit hohen Scharnieren gab es nur in Brasilien
16. Radio, Antenne und Kabel fehlen
17. Elektrik muss ggf. umgebaut werden (6 Volt, 12 Volt)
18. Brasilianische Busse haben Glasfenster statt Blech an den Ecken des Hecks, so wie die deutsche Samba-Busse
19. In Brasilien wurden aber keine Samba-Busse mit den 8 Dachfenstern produziert
20. Brasilianische Nachbauten des Samba-Busses haben keine verstärkte Bodengruppe und keinen Durchgang zwischen Fahrer und Beifahrersitz
21. Übereinstimmung von Fahrgestellnummer, Motornummer und Getriebekennzeichen (Hinweis: Volkswagen Classic Parts stellt keine Zertifikate und Datenblätter für T1-Busse aus Brasilien bereit, stattdessen mit Angaben vom M-Plate hier suchen: https://www.kombiclube.com.br/identificacao)
22. Auch in Deutschland waren die FIN zwischen 1956 und August 1962 nur 6-stellig. Mit dem Erreichen der ersten Million wurden sie 7-stellig. Ab etwa August setzte man dann die Typenbezeichnung, z. B. 21, und die letzte Ziffer den Modelljahres, z. B. 5, davor und fing jedes Modelljahr wieder 6-stellig bei 1 an, z. B. 215000001. Die Produktion in Brasilien war davon vollkommen losgelöst mit eigener Nummerierung und dem vorgesetzten B. Die langen FIN wie heute gab es bei VW erst ab Modelljahr 1981.
23. Offizielle Angaben zur zulässigen Anhängelast bei Anbau einer Anhängerkupplung fehlen bzw. sind nicht beschaffbar
24. Abgasvorschriften des jeweiligen Baujahres sind zu beachten (ab 1993 wurde eine EU-weite Katalysator-Pflicht für alle Neuwagen mit Otto-Motor festgelegt)
25. Verwendung von minderwertigen Billigteilen bei der Restaurierung, die schnell verschleißen, kaputt gehen oder gar nicht erst funktionieren und nicht fachgerecht eingebaut werden (z. B. Türdichtungen, Fensterkurbeln, Bautenzüge, Bremsschläuche, die ohne Schlauchschellen nur aufgesteckt werden)
26. Bei Roststellen und Beulen wird massiv gespachtelt, statt geschweißt und ausgebeult - Zitat: Roststellen zugespachtelt, Rahmen verzogen, keine Spaltmaße stimmen, 1,0 bis 1,5 cm Spachtel an den Seiten
27. Fenster und Dach undicht
28. Unter Umständen schlampige Lackierung mit Staubeinschlüssen
28. Vorteil: Man bekommt einen rostfreien, komplett neu lackierten Bus (dessen Karosserie ggf. umfangreich gespachtelt wurde); Nachteil: Man hat viel mehr Aufwand, um Ersatzteile zu finden, zu fertigen und einzubauen
29. Der Import von Brasilien nach Deutschland kostet ca. 2.800 € und man benötigt unter anderem eine Exportdeklaration des brasilianischen Zollamtes zur Freigabe des Exports inklusive notarieller Überprüfung von Eigentum und Verbindlichkeiten am Fahrzeug ("Title") sowie die Besitzübertragung, die Rechnung für den Verkauf (vom Verkäufer) und den Frachtbrief (in vom Spediteur) - siehe auch: https://www.tuvsud.com/de-de/branchen/m ... fuhrsteuer
30. Für die Zulassung in Deutschland benötigt man eine originale Zulassungsbescheinigung aus Brasilien mit genauem Monat der Erstzulassung, ein Datenblatt vom TÜV (siehe:‪ https://www.tuvsud.com/de-de/branchen/m ... -gutachten‬ und eine Paragraph 23-Abnahme für ein H-Gutachten

Siehe auch: https://forum.bulli.org/viewtopic.php?t=30628 und viewtopic.php?t=114019

Originalgetreue Werksrestaurierung mit Tauchbadentrostung und kathodischer Tauchbadlackierung von Volkswagen-Nutzfahrzeuge für 60.000 bis 80.000 €: https://www.volkswagen-nutzfahrzeuge.de ... erung.html

Ergänzende Infos: Von 1950 bis 1954 exportierte Volkswagen 831 Fahrzeuge nach Brasilien. Wie früher oft üblich wurden diese als CKD-Fahrzeuge verschifft, als „Completely Knocked Down“, quasi als Bausätze. Damit sparte man sich hohe Einfuhrzölle und schuf gleichzeitig Arbeitsplätze in Brasilien. Ähnlich war es in Südafrika. Diese frühen CKD-Bullis hatten die gleichen Nummernkreise wie die in Deutschland montierten Fahrzeuge.

Doch in den folgenden Jahren stieg aufgrund des massiven Drängens der brasilianischen Staatsführung der Anteil von in Brasilien gefertigten Teilen. Während im September 1957 der erste T1 etwa zur Hälfte aus brasilianischen Teilen bestand, waren es 1959 schon 84 Prozent.

In dieser Zeit wurden nur Kombis in Brasilien montiert, die sich zunehmend von den deutschen Modellen unterschieden. Das betrifft die in Brasilien gefertigten Teile, wie zum Beispiel die Auspuffanlage mit einem Endrohr oder die Stoßstange nach US-Vorbild. Aber auch dadurch, dass ausrangierte Teile der deutschen Werke nach Brasilien verschifft wurden. So kann ein 1959er Brasil Kombi durchaus Türen aus Modelljahr 1955 haben.

Ab 1961 erhielten die in Brasilien produzierten T1 eine eigene FIN, die eine Kombination aus dem Buchstaben B mit Produktionsjahr (B1 = 1961) und einer fortlaufenden Nummer ist. Der VW Bulli hatte sich mittlerweile in Brasilien etabliert und so präsentierte Volkswagen do Brasil 1963 eine ganze Palette neuer Modelle.

Star der Baureihe war der Kombi mit 23 Fenstern, der dem deutschen Sondermodell Samba nachgebaut war. Im Unterschied zum deutschen Pendant hatte dieser Kombi aber keine verstärkte Bodengruppe und Durchgang zwischen Fahrer und Beifahrersitz. Der „brasilianische Samba“ hatte hier wie alle Kombis eine durchgezogene halbhohe Trennwand.

1967 wurde dann das neue Modell T2 eingeführt, welches komplett in Brasilien gefertigt wurde. Im Unterschied zu deutschen T2-Modellen wurden noch Komponenten aus dem Vorgängermodell weiterverwendet. Einige der Brasil-Modelle machten ihre Reise als CKD Fahrzeuge nach Südafrika. Obwohl in Südafrika montiert, spricht man von diesen Fahrzeugen auch als Brasil Bullis.
Kurtilette
Mit-Leser
Beiträge: 3
Registriert: 12.11.2023, 21:58
Modell: T1
Aufbauart/Ausstattung: 1966er-Fensterbus
Leistung: 42 PS
Motorkennbuchstabe: VW
Anzahl der Busse: 1
Wohnort: München
Kontaktdaten:

Re: Wesentliche Unterschiede zwischen in Deutschland bis 1967 und in Brasilien bis März 1976 gefertigten Volkswagen T1-B

Beitrag von Kurtilette »

Mittlerweile habe ich über Google dieses Bulliforum-Posting aus 2016 unter der Überschrift "Brasilienbus? Der Versuch Unterschiede aufzulisten... + Erfahrungen" im Unterforum "viewforum.php?f=17" gefunden: viewtopic.php?t=95297. Es enthält noch einige ergänzende Angaben, auf die ich bei meiner Recherche nicht gestoßen bin. Nach so etwas hatte ich eigentlich gesucht ... ¯\_(ツ)_/¯
sunwheeler
Mit-Leser
Beiträge: 1
Registriert: 03.12.2023, 18:55
Modell: T2
Aufbauart/Ausstattung: Westfalia
Leistung: 50 PS
Motorkennbuchstabe: VW
Anzahl der Busse: 2

Re: Wesentliche Unterschiede zwischen in Deutschland bis 1967 und in Brasilien bis März 1976 gefertigten Volkswagen T1-B

Beitrag von sunwheeler »

Vielen Dank für die umfassenden Ausführungen
leider bin ich jetzt maximal verwirrt ;)

19. In Brasilien wurden aber keine Samba-Busse mit den 8 Dachfenstern produziert
Star der Baureihe war der Kombi mit 23 Fenstern, der dem deutschen Sondermodell Samba nachgebaut war. Im Unterschied zum deutschen Pendant hatte dieser Kombi aber keine verstärkte Bodengruppe und Durchgang zwischen Fahrer und Beifahrersitz. Der „brasilianische Samba“ hatte hier wie alle Kombis eine durchgezogene halbhohe Trennwand.

Das wiederspricht sich. Ich ersuche um Aufklärung. Weiters würde ich gerne wissen wer alles ein verstärktes Chassis hat. Nur deutsche Samba Busse oder auch Pritsche und Doka?

Gab es jetzt originale "Samba" Busse in Brasilien mit den Oberlichtfenstern und mit und ohne Schiebedach? Oder sind as Umbauten neuerer Zeit?

Wenn ein Brasilien Bus das grosse chrom oder Alulogo vorne drauf hat, hat dann das gepresste VW Logo darunter Platz, das alle Brasil Busse haben? oder ist dann die Frontmaske erneuert?
LG aus Tirol
Antworten

Zurück zu „Plauderecke“